Fragesequenzen
im Coaching
Questioning Sequences in Coaching »QueSCo«
Fragen stellen eine zentrale Intervention in helfenden Berufen wie Psychotherapie oder Coaching dar. Unser Projekt beschäftigte sich mit Fragepraktiken im Business-Coaching. Coaching beruht auf der Interaktion von Coach*in und Klient*in, behandelt berufsbezogene Probleme und zielt dabei auf Veränderung und Entwicklung bei Klient*innen ab. Obwohl Coaching in der westlichen Welt signifikant an Bedeutung zunimmt, ist seine wissenschaftliche Fundierung immer noch unzureichend. Die Untersuchung von Fragesequenzen als wesentliche Interventionspraktik widmet sich hier einer zentralen Forschungslücke.
Ziel unseres Projektes war die Entwicklung einer coachingspezifischen Typologie von Fragesequenzen und die Untersuchung ihrer spezifischen Veränderungspotenziale entlang von Coaching-Prozessen. Das Projekt arbeitete mit einem mixed-methods Forschungsdesign, das qualitative linguistische und qualitative/quantitative psychologische Methoden kombiniert. Daten unserer Untersuchung bildeten authentische, auf Video aufgezeichnete und linguistisch transkribierte Coachingprozesse aus dem Bereich des systemisch-lösungsorientierten Business Coaching. Diese wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt und decken dabei den gesamten deutschsprachigen Coachingmarkt ab.
Unser internationales und interdisziplinäres DACH Forschungsprojekt „Fragesequenzen im Coaching“ („Questioning Sequences in Coaching“, QueSCo) wurde von den drei nationalen Förderungsanstalten in Österreich (FWF, Lead Agency, I 4990-G), Deutschland (DFG, 447538923) und der Schweiz (SNF, 00019E_194162) für 36 Monate (3|2021 – 2|2024) mit einer Gesamtsumme von ca. 900.000 Euro gefördert. Es war am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Klagenfurt, dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim und am Department für Angewandte Psychologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften beheimatet und wurde geleitet von
Assoz. Prof. Dr. Eva-Maria Graf.
Projektergebnisse
Das QueSCo Korpus
Nach dem ersten (nun zweitgrößten) Coaching-Korpus von Graf (2019) mit Daten aus dem „Emotional Intelligent Coaching“, hat QueSCo nun das größte Korpus an systemischen, lösungsorientierten (Online- und Face-to-Face-)Business-Coaching-Interaktionen gesammelt: Insgesamt nahmen 14 Coaches und 24 Klient*innen am Projekt teil. Die gesamten Daten belaufen sich auf 24 Prozesse, 116 Sitzungen (57 FtF- und 59 Online-Sitzungen). Sie haben eine Gesamtdauer von 149 Stunden. Etwa 90,5 Stunden (d.h. 66 Sitzungen) wurden bereits nach cGAT Minimaltranskript-Konventionen mit FOLKER/EXMERaLDA transkribiert. Für die Kodierung wurden 14 Prozesse (12 Coaches, 14 Klient*innen) / 50 Sitzungen mit einer Gesamtlänge von 60,5 Stunden verwendet.
Die QueSCo Fragetypologie
Eine Typologie coaching-spezifischer Fragen (1. Position / „target action“) wurde in erster Linie vom Linguist*innenteam (in Klagenfurt und Mannheim) durch eingehende (Re-)Analysen der authentischen Coaching-Daten entwickelt. In Zusammenarbeit mit den Psycholog*innen wurden 12 coaching-spezifische Fragetypen identifiziert, die 7 Hauptfunktionen zugeordnet wurden.
Die QueSCo Typologie für Fragesequenzen
Die Typologie coaching-spezifischer Fragen (1. Position) wurde um Kategorien für weitere Sequenzpositionen, d.h., mögliche Klientinnenreaktionen (2. Position), Reaktionen der Coaches darauf (3. Position) sowie der Frage vorausgehende Handlungen von Coach und Klient*in (Positionen -2 und -1), erweitert. Zusätzlich wurden Bewertungskriterien definiert, um die lokale Wirksamkeit von Fragesequenzen zu beurteilen. Die dritten Positionen und Sequenzbewertungen wurden sowohl aus linguistischer als auch aus psychologischer Perspektive erarbeitet.
Das QueSCoM Manual
Das QueSCoM-Kodiermanual wurde entwickelt, um die beiden Typologien zu operationalisieren und das gesamte Korpus von 14 Prozessen in MAXQDA (einem qualitativen Analyseprogramm) zu kodieren. Zunächst musste dafür eine Interrater-Reliabilität von κ ≥ 0,7 erreicht werden. Der Mastercode bestand aus 121 (Unter-)Codes und insgesamt wurden 87.237 Codes vergeben.
Wichtigste Ergebnisse
Innerhalb des kodierten Korpus wurden 3.023 Fragesequenzen mit 3.691 Fragen identifiziert. Sie machen insgesamt 83 % der kodierten Transkripte aus, was die zentrale Bedeutung von Fragen im Coaching belegt.
Fragen (1. Position): W-Fragen stellten die häufigste (grammatische) Frageform (1.629) dar, gefolgt von Deklarativsatzfragen (996) und Verberstellungsfragen (792), d.h. es spielen sowohl offene als auch geschlossene Fragen im Coaching eine Rolle. Die häufigsten Fragetypen sind „Fragen zur Ausarbeitung der Problematizität“ (24%), „Fragen zum Beziehungsmanagement“ (21%) und „Fragen zu Lösungsressourcen“ (18%). Insgesamt machen lösungsorientierte Fragen 41% und problemorientierte Fragen 26% der Fragen aus, was die Lösungsorientierung der Interaktion verdeutlicht. Fragetypen, die am häufigsten Coaching-Phasen einleiten, sind „Fragen zur Ausarbeitung der Problematizität“, „Fragen zum Beziehungsmanagement“, „Fragen zur Motivation und/oder Zielvorstellung“ sowie „Fragen zur Evaluierung von Zwischenergenissen“.
Reaktion / Antwort (2. Position): Die Reaktionen der Klient*innen auf alle Fragetypen sind überwiegend responsiv. Die Reaktionstypen „Klient*in macht mehr (responsiv)“ (d.h. Klient*innen geben eine Antwort und liefern zusätzliche relevante Informationen) und „Klient*in macht mit“ (d.h. Klient*innen geben eine angemessene Antwort auf die Frage) machen zusammen 73% (44% bzw. 29%) der Klient*innenreaktionen aus. Ein solches Ergebnis zeugt von der allgemeinen Bereitschaft der Coaching-Klient*innen, sich am Coaching- und Veränderungsprozess aktiv zu beteiligen.
Reaktionen der Coaches (3.Position): Besonderes Augenmerk wurde auch auf die dritte Sequenzposition, d.h. die Reaktionen der Coaches auf die Antwort / Reaktion der Klient*innen, gelegt. Die häufigste (linguistische) Kategorie ist „Klärungs- und Elaborationsaufforderung“ (48%), d.h. die Coaches nutzen die dritte Position häufig, um unklare Aspekte der Antwort der Klient*innen anzusprechen oder um weitere Informationen zu erfragen. Die Kategorie wird gefolgt von „Transformation“ (15%), mit der Coaches einen entscheidenden Perspektivenwechsel in Bezug auf die Antwort der Klient*innen einleiten, z.B. von der Problem- zur Lösungsorientierung. Aus psychologischer Sicht (die an dritter Stelle Themen-, Affekt- und Beziehungsmanagement berücksichtigt) sind Coaches in hohem Maße responsiv und klient*innenzentriert.
Sequenzbewertung: Nach der linguistischen Definition lokaler Effektivität (d.h. die Erfüllung der Fragesequenz) wurden 46% der Sequenzen „erfüllt“, d.h. erfolgreich abgeschlossen, 35% wurden „erweitert“ und nur 19% wurden mit „nicht erfüllt“ bewertet. Gemäß der psychologischen Sequenzbewertung, bei der die Sequenzen anhand einer 5-Punkte-Skala bewertet wurden, erhielten 52,3 % der Sequenzen 5 Punkte, 31,7 % 4 Punkte und 16 % 3 Punkte oder weniger. Dieser hohe Prozentsatz erfolgreicher Sequenzen deutet auf eine allgemeine (lokale) Wirksamkeit von Fragesequenzen im Coaching hin. Sie beruht auf der Responsivität der Klient*innen als auch der Coaches.
Projektbeschreibung
Informationen für Coaches
Projektteam
14 Mitarbeiter*innen an der Universität Klagenfurt, am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache und an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Aktivitäten
Expert*innenbeirat
Kontakt
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